Individuelle und kontextuale Moderatoren auf den Zusammenhang zwischen Stressoren-Ressourcen-Profilverläufen und (psychischer) Gesundheit
Das Zusammenwirken von Stressoren und Ressourcen wird im Job-Demands-Resources Model (Bakker & Demerouti, 2007) thematisiert. Dabei wird allgemein von einer negativen Wirkung zu hoher Stressorenausprägungen auf das psychische Befinden ausgegangen, während Ressourcen direkt auf motivationale Prozesse positiv wirken. Des Weiteren werden Wechselwirkungen angenommen, welche Ressourcen eine puffernde Funktion der negativen Stressoreneffekte zuschreiben sowie den Stressoren mögliche, intensivierende Wirkung von Ressourceneffekten auf die Motivation. Arbeitsanforderungen in Form von Zeit- und Leistungsdruck scheinen bei Vorliegen von Ressourcen zumindest kurzfristig auch positive Effekte auf motivationale Prozesse und Arbeitsleistung haben zu können (Lepine, Podsakoff & Lepine, 2005; Widmer, Semmer, Kälin, Jacobshagen & Meier, 2012), wobei eine Beanspruchungswirkung bestehen bleibt. Man spricht hier von challenge im Vergleich zu hindrance Stressoren.
Die Grundpostulate des Job-Demand-Resources Model konnten in zahlreichen empirischen Arbeiten bestätigt werden. Weitestgehend ungeklärt ist jedoch das zeitliche Zusammenwirken von Stressoren und Ressourcen auf die psychische Beanspruchung und damit langfristig auf gesundheitliche Folgen. Schon Roe (2008) mahnte an, dass sich die psychologische Forschung zu viel damit auseinandersetzt „what is?“ und zu wenig damit „what happens?“. Resilienz kann als die Bewältigungsmöglichkeit eines Systems im Umgang mit Veränderungen und Problemen definiert werden. Damit sind zeitliche Veränderungen dem Begriff der Resilienz inhärent. Eine systemische Sichtweise unterstreicht, dass es nicht nur Ressourcen der Person, sondern auch der Umwelt (Tätigkeits- und Beschäftigungsmerkmale) geben kann, welche sich förderlich auswirken und letztlich erst im Zusammenspiel von Stressoren und Ressourcen beobachtbar sind.
In einer experimentellen Studie konnten De Jong und Rigotti (2014) zeigen, dass sich Reaktionen auf negative und positive Ereignisse (hier Brüche vs. Übererfüllung psychologischer Verträge; also wahrgenommener Versprechen durch den Arbeitgeber) unterscheiden in Abhängigkeit der Reihenfolge des Auftretens der Ereignisse. Es scheint demnach Sensibilisierungs-, Habituations-, als auch Reihenfolgeeffekte zu geben. Übertragen auf allgemeine zeitliche Wirkprozesse von Stressoren und Ressourcen kann aus diesen Befunden abgeleitet werden, dass negative Wirkspiralen kumulierender Stressoren stärkere, negative Konsequenzen zeigen, als im Ausmaß vergleichbare Ressourcen über den gleichen Zeitraum positive Effekte zeigen. Bereits im Verlauf eines Arbeitstages sind kumulierende und sich aufschaukelnde Effekte von Stressoren, wie etwa Arbeitsunterbrechungen zu vermuten (vgl. Baethge, Rigotti & Roe, in press).
Stress ist kein stationäres Phänomen, sondern entwickelt sich aus der fortwährenden Interaktion äußerer und innerer Einflüsse (Lazarus & Launier, 1978). Anzunehmen ist, dass sich zeitliche Verläufe in Abhängigkeit von kontextualen und individuellen Faktoren unterscheiden. Mittels Latent Growth Mixture Modeling (Nylund, Asparouhov & Muthén, 2007) können solche unterschiedlichen Cluster zeitlicher Verläufe einzelner Indikatoren, aber auch von Zusammenhängen extrahiert und die resultierenden Gruppen anschließend wieder auf Unterschiede hin geprüft werden.
Ziel eines Dissertationsprojektes soll daher sein, individuelle Verlaufsmuster von Stressoren und Ressourcen in Zusammenhang mit Beanspruchungsfolgen sowie motivationalen Zuständen zu untersuchen. Als Untersuchungssetting bietet sich ein dynamisches Umfeld an, indem in überschaubaren Zeitabschnitten substantielle Veränderungen in arbeitsbezogenen Stressoren und Ressourcen zu vermuten sind. Solche dynamischen Veränderungen sind zum einen während betrieblicher Restrukturierungen zu erwarten. Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen, die systematisch die Forschung zu individuellen Auswirkungen von Restrukturierungserfahrungen aufarbeiten, kommen einheitlich zu den Ergebnissen, dass betriebliche Veränderungen im Allgemeinen als bedeutsamer Stressor einzustufen sind (z.B. Datta, Guthrie, Basuil, & Pandey, 2010; Rigotti, Otto & Köper, 2014). Zum anderen sind Veränderungen in Stressoren und Ressourcen durch individuelle, berufliche Veränderungen wahrscheinlich, wie sie durch Arbeitgeberwechsel oder Karriereschritte auftreten (Rigotti, Korek, & Otto, 2014).
Als Studiendesigns bieten sich Tagebuchstudien für kürzere Zeitintervalle sowie Längsschnittstudien mit mehreren Messzeitpunkten über längere Zeiträume an. Durch die kombinierte Betrachtung von Stressoren und Ressourcen im zeitlichen Prozessverlauf könnten individuelle Verlaufsprofile betrachtet werden.
Literatur
Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The job demands-resources model: State of the art. Journal of Managerial Psychology, 22(3), 309–328.
Datta, D. K., Guthrie, J. P., Basuil, D. & Pandey, A. (2010). Causes and effects of employee downsizing: A review and synthesis. Journal of Management, 36, 281–348.
De Jong, J. P. & Rigotti, T. (2014). How sequences of breached and fulfilled obligations impact employee outcomes. Academy of Management Conference Best Paper Proceedings 2014.
Lazarus, R.S. & Launier, R. (1978). Stress-related transactions between person and environment. In L.A. Pervin & M. Lewis (Eds.), Perspectives in international psychology. New york: Plenum Press.
Lepine, J. A., Podsakoff, N. P. & Lepine, M. A. (2005). A meta-analytic test of the challenge stressor-hindrance stressor frame-work: An explanation for inconsistent relationships among stressors and performance. The Academy of Management Journal, 48(5), 764-775.
Nylund, K. L., Asparouhov, T. & Muthén, B. O (2007). Deciding on the number of classes in latent class analysis and growth mixture modeling: A Monte Carlo Simulation Study. Structural Equation Modeling, 14(4), 535-569.
Rigotti, T., Korek, S., & Otto, K. (2014). Gains and losses related to internal career transitions. Journal of Vocational Behavior, 84, 177-178.
Roe, R.A. (2008). Time in applied psychology: Studying what happens rather than what is. The European Psychologist, 13(1), 37-52.
Widmer, P. S., Semmer, N. K., Kälin, W., Jacobshagen, N. & Meier, L. L. (2012). The ambivalence of challenge stressors: Time pressure associated with both negative and positive well-being.Journal of Vocational Behavior, 80(2), 422-433.